Die Geschichte
In den 70er Jahren war Dortmund Europas Bierstadt Nr. 1 und die zweitgrößte der Welt. In den folgenden Jahrzehnten schrumpfte die örtliche Brauereilandschaft. Traditionsreiche Betriebe verschmolzen durch Fusionen zu Großkonzernen. Es war offensichtlich: Die einst blühende Bierkultur Dortmunds geriet von Jahr zu Jahr mehr in Vergessenheit.
Bergmann Bier Gründer Thomas Raphael studierte zu diesem Zeitpunkt Biologie und wurde nach dem Studium in der Lebensmittelindustrie tätig. Im August 2005 war er in einer Markendatenbank des Deutschen Marken- und Patentamtes beschäftigt. Nach getaner Arbeit sah er interessehalber die Einträge der Dortmunder Brauerei Marken durch. Beim Dortmunder Bergmann Bier kam Raphael ins stutzen. Die Marke war von der Union-Ritter Brauerei übernommen und 2003 aufgegeben worden.
Zum Hintergrund: Die alte Bergmann Brauerei wurde im Jahre 1796 gegründet und 1972 geschlossen. Thomas Raphael kannte die kleine, weitgehend vergessene Marke, da sich ein historischer Bergmann Bierkrug in seinem Besitz befindet.
Mehr aus einer Laune, als aus einer ernsthaften Überlegung heraus, beantragte er die Reservierung der Marke Bergmann Bier. Drei Monate später hatte er eine Inhaber Urkunde über dem Schreibtisch hängen. Kurz darauf machte ihn ein guter Bekannter darauf aufmerksam, dass eine Marke nur zu sichern sei, wenn man sie realisiert, d.h. ein tatsächliches Produkt mit diesem Markennamen versieht. Ein passendes Bier musste also her. Aus seiner Jugend kannte Raphael die Vormann Brauerei in Hagen-Dahl, die ihm für sein Vorhaben geeignet erschien. Er fuhr nach Hagen und überzeugte den Braumeister ihm ein passendes Export Bier zu brauen. Da ein Sud mit 6.000 Litern Bier viel erschien, trommelte er 20 bierbegeisterte Freunde aus Dortmund zusammen, fuhr mit ihnen nach Hagen-Dahl zu einer Brauereibesichtigung und fragte anschließend, ob sich jemand mit ihm die 6.000 Liter Bier teilen würde. Dividiert durch 16 waren anschließend nur noch ca. 350 Liter pro Kopf zu verteilen. Die Geschichte nahm ihren Lauf.
Bergmann Bier wurde gebraut, gelagert, in bereitgestellte Flaschen gefüllt, getrunken und verteilt. Das Bier schmeckte und so wurde einige Wochen später gleich der nächste Sud in Auftrag gegeben. Die bierverrückte Idee war in der Realität angekommen und aufgrund der großen Leidenschaft für das Projekt Bergmann Bier entstand eine kontinuierliche Produktion. Neue Sude fanden umgehend Abnehmer.
Der nächste Entwicklungsschritt erfolgte im Januar 2007, als das Bier auf einer Firmenfeier ausgeschenkt wurde. Ein anwesender Redakteur der Ruhr-Nachrichten probierte begeistert und machte sich prompt daran, die Geschichte aufzuschreiben. Am Tag nach der Veröffentlichung in der Zeitung erreichten Raphael hunderte Glückwunsch E-Mails und Anrufe. Und immer wieder wurde die Frage gestellt, wie man beim Projekt mithelfen könnte und wo es das Bier zu kaufen gäbe.
Bergmann Bier Teilhaber und Unternehmensberater Herbert Prigge riet, umgehend eine GmbH zu gründen. Seit Mai 2007 gibt es die neue Bergmann Brauerei GmbH. Zahlreiche Sude wurden gebraut, Händler beliefert und die REWE Dortmund als prominenter Verkaufspartner akquiriert. Damals wurden Bierkästen samstags in der Ritterstraße von Hand beklebt und ehrenamtlich ausgeliefert. Der Absatz wuchs ohne Werbung und Marketing. Im Jahre 2008 wurde ein weiterer Meilenstein auf den Weg gebracht: Thomas Raphael prüfte die Idee, ob man eine eigene kleine Brauerei auf die Beine stellen könnte.
Das Lager einer alten Gießerei im Dortmunder Hafen wurde gefunden, es begannen Renovierungsarbeiten in einem Gebäude ohne Infrastruktur. Harte Arbeit. Ehrlicher Lohn war die Devise nach getaner Arbeit, wenn das verdiente Bier in den Händen gehalten wurde. Der Geist der Geschichte verdichtete sich. Nicht nur die vergessene Bierkultur in Dortmund wurde wieder angestoßen, auch die Ruhrgebietsmentalität „alle mal anpacken, es gibt was zu tun“ half dem Projekt auf die Beine.
Beim Absatz in der Gastronomie gab es Rückschläge, die großen Brauereien nutzten ihre Möglichkeiten, die kleine Bergmann Brauerei wieder rauszukaufen und machten davon Gebrauch. Damals machte der Spruch die Runde: „Jede Mücke sticht“. Mengenmäßig völlig unbedeutend waren die Bergmänner dennoch stolz, David gegen Goliath spielen zu können.
Nachdem 2010 Absatz und Umsatz weiter stiegen, wurde ein kleines zehn Hektoliter Sudwerk, ohne Elektronik und Steuerung, in der alten Lagerhalle im Hafen in Betrieb genommen. Die ersten Sude wurden eingebraut, die ersten Flaschen und Fässer von Hand abgefüllt. Finanziert wurde die erste Brauerei und die erforderlichen Bierkästen von begeisterten Mitstreitern. 30 Freunde und Bekannte hatten Genussscheine gezeichnet, die seitdem mit vier Prozent jährlich verzinst werden.
Am Standort im Hafen gab es keine Besucherparkplätze. Die hygienischen Bedingungen im alten Gemäuer ließen keine Besucher in der Brauerei zu. Das Büro der Bergmann Brauerei war nach wie vor in der Ritterstraße angesiedelt. Neben der Belieferung von Getränkehändlern träumten die Bergmänner von einer eigenen Verkaufsstelle. In der Mittagspause kam Thomas Raphael öfter an einem leerstehenden Kiosk am Hohen Wall 36 vorbei. Er fand es schade, dass der schöne Kiosk im Stil der 50er Jahre dort vor sich hin gammelte.
Raphael begann erneut zu recherchieren. Es dauerte Monate, dann hatte die Stadt herausgefunden, wem der Kiosk gehörte – nämlich der Stadt Dortmund selbst. Es waren weitere neun Monate nötig, bevor der Kiosk dann von der Bergmann Brauerei übernommen werden konnte. In den ersten Jahren noch ohne Schankerlaubnis konnte im Jahre 2013 eine Biergartenkonzession erwirkt werden. Vereinte ehrenamtliche Kräfte hatten geholfen, die ehemalige öffentliche Toilette unterm Kiosk zu reaktivieren. Es begann eine kleine Erfolgsgeschichte in der Erfolgsgeschichte. Neben der vergessenen Marke hatte die Bergmann Brauerei auch einen alten Kiosk wiederbelebt und einer neuen Verwendung zugeführt. Der Bergmann Kiosk ist zu einer echten Kultstätte geworden und taucht sogar in Ruhrgebietsreiseführern als Empfehlung auf.
Mit nunmehr drei Mitarbeitern und den Aushilfskräften im Kiosk war die Bergmann Brauerei GmbH auf nunmehr vier Standorte verteilt: Kiosk am Hohen Wall 36, Büro in der Speicherstraße, Brauerei in der Schäferstraße, Lager in der Lindenhorster Straße. Absatz und Umsatz stiegen weiter. Im Jahre 2013 wurde beim Treffen der Genussscheininhaber die Idee geboren, über eine neue Brauerei an einem neuen Standort nachzudenken. Anfangs wog der Gedanke schwer – nach einer ersten Ideensammlung und einem Architekturwettbewerb stiegen Lust und Leidenschaft für die neue Brauerei. Ein möglicher Standort in Huckarde wurde verworfen, als bei einer Besichtigung auf Phoenix-West ein dreieckiges Grundstück mit Blick auf den alten Hochofen Phoenix ins Rennen kam. Erst viel später wurde klar, dass auf der anderen Straßenseite eine Konzerthalle mit bis zu 3.600 möglichen Besuchern entstehen soll.
In Anlehnung an die erfolgreiche Finanzierung über Genussscheine wurde diesmal eine Immobilien GmbH & Co. KG gegründet, mehr als ein Dutzend Investoren halfen das Gebäude zu finanzieren und zu errichten. In vorausschauender Planung wurde die Brauerei so geplant, dass sie zweitverwendungsfähig ist. Bedeutet: Wenn sie für die Bergmann Brauerei zu klein oder zu groß werden sollte, ist eine anderweitige Nutzung möglich. Das alte Sudwerk konnte für ein neues 20 Hektoliter Sudwerk, halbautomatisiert, in Zahlung gegeben werden. Mit Hilfe eines regionalen Handwerkers wurde daraus eine moderne handwerkliche Kleinbrauerei.
Die neue Stehbierhalle
Frisch gezapftes Bergmann
Im September 2017 erfolgte die Inbetriebnahme. Damit das Bier direkt in der Brauerei verkostet werden kann, kam eine Stehbierhalle nach traditioneller Art hinzu. Stand 2022 beschäftigt die Bergmann Brauerei elf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie 52 Aushilfskräfte, Tendenz weiter steigend…